Ein Böhmischer Mörder? Mehr davon! Obwohl er nur sehr kurz in Erscheinung tritt, ist der Böhmische Fechtmeister meines Erachtens nach eine der interessantesten Figuren des Werkes. Gleich von seinem ersten Auftritt an wirkt er selbstbewusst und seiner Sache sehr sicher. Zudem ist er ein fähiger Kämpfer und Fechter. Sein Auftreten zusammen mit seiner geheimnisvollen Geschichte und plötzlicher Erscheinung hinterlässt einen starken Eindruck. Später wird klar, dass er seine eigene Frau ermordet hat, doch weshalb oder unter welchen Umständen bleibt ein Geheimnis. Man kennt weder seinen Namen, noch seinen Lebenslauf, was ihn umso interessanter macht. Für mich ist klar, dass er meine Lieblingsfigur ist, und dass man über ihn sehr gut eine Geschichte schreiben könnte oder sogar sollte. Schade erfährt man nicht mehr über ihn. Andererseits wäre es nicht mehr dasselbe, wenn er plötzlich Eugen heissen würde und seine Frau aus Versehen ermordet hätte, das gebe ich zu. Ein katholischer, böhmischer Serienmörder, der flüchtet, bei einem Berner Zuflucht findet und letzten Endes mit grossem Vergnügen am Schlachten der Bartholomäusnacht teilnimmt? Solch eine Geschichte würde ich lesen.
Die Frauenrolle Ich sehe schon, dass einige die Rolle der Frau in diesem Buch kritisieren würden. Die einzige Frau, die vorkommt und eine aktive Rolle spielt ist Gasparde. Sie ist für ihre Zeit eine eher typische Frau. Sie wird als blond, blauäugig und hübsch beschrieben und hat auch keine Kampferfahrung oder andere nennenswerte Talente. Man sieht gleich von Anfang an, dass sie als eine Gefährtin für Hans gedacht ist, da dieser sich gleich überlegt, wie er ihre Liebe gewinnen kann. Sie passt ins Klischee der Frau, die einen Beschützer braucht, in diesem Fall Hans, und sich nicht selbst gegen einen Mann verteidigen kann, in ihrem Fall Graf Guiche. Zu Ihrer Verteidigung: Ihr war nie bewusst, dass sie die Tochter eines französischen Generals ist und sie hatte, wie die meisten Frauen ihrer Zeit, keine Möglichkeit etwas mehr zu sein, als das, was sie war. Ich würde ebenfalls behaupten, Gasparde steht oberhalb einer klassischen Figur, denn sie ist ja in gewissermassen eine Rebellin. Sie ist Protestantin, obwohl sie weiss, dass dies hoch gefährlich ist und gesellschaftlich nicht aktzeptiert ist. Ich persönlich finde dies aber nicht weiter schlimm. Ein Autor kann frei wählen, wozu seine Figuren da sind. Gasparde erfüllt Ihre Rolle als Liebesinteresse für Hans und es ist nicht weiter tragisch, eine weibliche und schöne Figur dafür zu erschaffen. Im Nachhinein finde ich, das Buch kreiert einen Kontrast zwischen Gasparde und Katharina de Medici. Dies scheint weit her geholt zu sein, ich weiss, aber ich habe eine gute Erklärung dafür. Duch Vorwissen wusste ich, dass Katharina de Medici diejenige war, die den König dazu beeinflusste und überredete, den Angriff auf die Hugenotten zu befehlen. Dies stellt einen starken Gegensatz zu Gasparde dar, da Katharina sich ihrer Macht und ihrem Einfluss sehr bewusst war und wusste, wie sie diese einsetzen konnte. Katharina hatte als Königin du Regentin Gefolgsleute und wuchs in einem ganz anderen Umfeld als Gasparde auf. Womöglich erhielt sie eine bessere Ausbildung und hatte ebenfalls eine bedeutendere Rolle in der Gesellschaft. Hier zeigt sich, dass Frauen in der Geschichte durchaus sehr viel Macht hatten, mehr als vielen heute bewusst ist. Natürlich bin ich keine Historikerin, aber ich wage, zu behaupten, die wenigsten Königinnen waren schwache Frauen, die sich alles gefallen liessen. Viele von Ihnen gingen gegen die ihnen vorgegebenen Regeln vor und forderten die Ideale ihrer Zeit heraus. Kleopatra wurde zu einer der grössten Pharaonen, die Ägypten je gesehen hatte, nachdem sie sich mit allen Mitteln den Thron von ihrem Bruder genommen hatte. Sie hatte eine Beziehung mit einem anderen, sehr wohl bekannten Herrscher und brillanten Staatsführer ihrer Zeit, Julius Cäsar. Von klein auf musste sie sich gegen ihre Geschwister behaupten, später wurde sie ins Exil geschickt, nur um ihre Leute um sich zu scharen und zur Königin emporzusteigen. Katharina die Grosse wurde zur alleinigen Herrscherin Russlands, nachdem sie als junge Frau verheiratet wurde und nicht einmal selbst Ihren neuen Namen oder Konfession wählen durfte. Sie stürzte, mit der Unterstützung ihrer Garde, den Zaren, und liess sich krönen. Sie brachte ihrem Volk Aufklärung und erweiterte das russische Reich wie kein Zar zuvor es je getan hatte. Es gibt zahllose weitere Beispiele für historische Frauen, Königinnen oder nicht, die Einfluss hatten und für sich selbst einzustehen wussten. Was spielt es da für eine Rolle, wenn ein Autor in seinem historischen Roman eine eher schwache weibliche Figur erschafft?
Die Theorie des fahlen Pferdes Diese Theorie war meine zweite Wahl bei der Erstellung der Interpretation. Ich entschied mich allerdings dann doch für die Freundschaft von Boccard und Schadau als Hauptthema, da diese im Buch eine grössere Rolle spielt. Jedoch werde ich diese trotzdem hier ausführen, da sie mich einfach zu sehr interessiert, als dass ich sie einfach liegen lassen könnte. Jedoch fiel mir gleich zu Beginn des Buches die Textstelle auf, bei der Hans’ Ohm das Pferd von Hans als fahles Pferd erkennt und dies mit der Prophezeiung der Endzeit verbindet. Analysieren wir zuerst die Verheissung der Endzeit, um diese Anspielung verstehen zu können. Die Offenbarung Johannes lautet wortwörtlich:
„Dann sah ich: Das Lamm öffnete das erste der sieben Siegel; und ich hörte das erste der vier Lebewesen wie mit Donnerstimme rufen: Komm! Da sah ich ein weißes Pferd; und der, der auf ihm saß, hatte einen Bogen. Ein Kranz wurde ihm gegeben und als Sieger zog er aus, um zu siegen. Als das Lamm das zweite Siegel öffnete, hörte ich das zweite Lebewesen rufen: Komm! Da erschien ein anderes Pferd; das war feuerrot. Und der, der auf ihm saß, wurde ermächtigt, der Erde den Frieden zu nehmen, damit die Menschen sich gegenseitig abschlachteten. Und es wurde ihm ein großes Schwert gegeben. Als das Lamm das dritte Siegel öffnete, hörte ich das dritte Lebewesen rufen: Komm! Da sah ich ein schwarzes Pferd; und der, der auf ihm saß, hielt in der Hand eine Waage. Inmitten der vier Lebewesen hörte ich etwas wie eine Stimme sagen: Ein Maß Weizen für einen Denar und drei Maß Gerste für einen Denar. Aber dem Öl und dem Wein füge keinen Schaden zu! Als das Lamm das vierte Siegel öffnete, hörte ich die Stimme des vierten Lebewesens rufen: Komm! Da sah ich ein fahles Pferd; und der, der auf ihm saß, heißt „der Tod“; und die Unterwelt zog hinter ihm her. Und ihnen wurde die Macht gegeben über ein Viertel der Erde, Macht, zu töten durch Schwert, Hunger und Tod und durch die Tiere der Erde.“
So erscheint zuerst ein weisses Pferd mit einem Reiter, der einen Bogen trägt. Dieses soll die Eroberung darstellen. Als zweites erscheint ein rotes Pferd, mit einem Reiter, der ein Schwert hält. Dieser stellt den Krieg dar. Als drittes tritt ein schwarzes Pferd hervor, sein Reiter hält eine Waage und ein Sack Körner. Dieser stellt die Hungersnot dar, die Kriegen folgt. Zu guter Letzt erscheint ein fahles Pferd. Dessen Reiter hält keine Gegenstände, aber er bringt die Hölle und die Unterwelt mit sich und ist somit das letzte Zeichen und Omen der Endzeit. Kommen wir zurück zu Hans und seinem Ohm. Als Letzterer dies sagt, kann Hans dies nur als eine Art Märchen ansehen. Jedoch ist es auf eine Art und Weise sehr unheimlich, dass er seiner Rolle des Reiters des fahlen Pferdes der Novelle gerecht wird, denn er ist in Paris als die Bartholomäusnacht geschieht. Die Hölle bricht über die Hugenotten herein. Sie werden getötet, gefoltert und regelrecht wie Vieh behandelt. Dazu ein Beispiel anhand von Coligny. Die echte Figur des Generals Gaspard de Coligny wurde erstochen, lebend aus seinem Fenster geworfen und enthauptet, ehe sein Körper als Abschreckung durch Paris geschleift und letzten Endes aufgehängt wurde. Etwas fiel Schlimmeres kann man sich kaum vorstellen. Ich würde ebenfalls behaupten, man kann einige Figuren als Inkarnation jener Reiter der Apokalypse sehen. Die Siegel müssen laut der Prophezeiung vom Lamm Gottes geöffnet werden. Diese Rolle würde ich Gasparde zuteilen. Sie ist die, die Hans indirekt dazu bringt Guiche umzubringen und alles ins Rollen bringt. Somit nimmt Hans erstmals eine Sünde auf sich und kommt seiner vollendeten Rolle als Reiter näher. Sie ist ebenfalls sehr unschuldig und eine eher schwache Person, die man durchaus mit einem Lamm verbinden könnte. Johannes könnte Hans’ Ohm sein. Er sagt die Rolle seines Neffen voraus, und erkennt, dass die Endzeit bevorsteht. Die Rolle des Reiters der Eroberung könnte man Katharina geben. Sie ist diejenige, die diesen Krieg führen will, und die Hugenotten Tod sehen will. Dem König könnte man als den Reiter des Hungers darstellen, da er sozusagen für das Volk verantwortlich ist, und es trotzdem leiden lässt und sich nur um seine Interessen kümmert. Den Reiter des Krieges würde ich Coligny zuteilen. Er ist der, der Krieg führt, wortwörtlich, und obwohl er Frieden will, erkennt er auf seinem Sterbebett, dass letzten Endes trotzdem ein Bürgerkrieg ausbrechen wird. Vielleicht erkennt er dies im Angesicht des Reiters des Todes, Hans selbst, der gekommen ist, um nun selbst zu reiten und seine Rolle als Bringer der Hölle zu erfüllen? Jeder Ritter steht mit einem anderen in Verbindung, und alles führt am Ende auf Hans zurück. Ich finde die Geschichte der apokalyptischen Reiter äusserst faszinierend. Sie sind voneinander unterschiedliche Wesen, die sehr individuell beschrieben werden. Sie haben eine bestimmte Rolle zu erfüllen und alle stellen alle eine Seite des Menschen dar. Wir wollen erobern, zum Beispiel einen anderen Menschen, wir führen alle eine Art Krieg, mit uns oder mit anderen, wir müssen Essen, um am Leben zu bleiben, und am Ende sterben wir alle. Ob die Endzeit nun ein Mythos, eine Legende oder eine wahre, unaufhaltsame Zukunft ist, finde ich diese Theorie äusserst interessant und hatte viel Spass, diese aufzustellen.
Warum musste Boccard sterben? Wilhelm Boccard ist meine Lieblingsfigur. Ich meine, was will man besseres. Er ist intelligent, fröhlich, treu, mutig und unterstützt seine Freunde, wenn sie ihn brauchen. Er ist ein sehr sympathischer Mensch und ich würde durchaus gerne mit ihm in einem Wirtshaus an einen Tisch sitzen und mit ihm über dieses und jenes sprechen, da er ein sehr angenehmer Gesprächspartner zu sein scheint. Es ist also verständlich, dass ich seinen Verlust immer noch nicht richtig verarbeitet habe. Es war so ein plötzliches Ereignis. Ich konnte es eifach nicht glauben und vor allem stellte ich mir Fragen über den Sinn der Sache. Warum musste er sterben? Hat es einen Sinn oder starb er, weil es einfach so passiert ist? Auf diese Fragen habe ich noch keine konkrete Antwort gefunden doch ich habe ein paar Ansätze. Vielleicht symbolisier Boccards Tod die Tatsache, dass man seinen Glaubensbrüdern nicht immer vertrauen kann und man mit der eignen Religion nicht immer einverstanden ist. Dies ist heute immer noch präsent. Im Islam zum Beispiel. Es gibt viele Muslime, die nicht mit allem einverstanden sind, was ihre Religion verschreibt und Gruppierungen innerhalb der eigenen Religion, wie zum Beispiel dem Islamischen Staat, nicht unterstützen. Es könnte auch andeuten, dass viele Strenggläubige, die eigenen Leute verfolgen, sagen diese etwas, was sie empört oder nicht mit ihren Meinungen übereinstimmt. Wilhelms Tod könnte auch ganz einfach die Katastrophe der Novelle darstellen. Natürlich, dem Anschein nach, hat die Geschichte ein Happy End, doch als Leser hat man das Gefühl, dass etwas nicht ganz beendet ist. Vielleicht ist das, was nicht beendet ist, die Freundschaft zwischen Schadau und Boccard. Somit könnte Boccards Verschwinden auch die Unsterblichkeit der Gefühle repräsentieren. Er ist zwar nicht mehr am Leben, doch die Erinnerung an ihn bleibt. Er wird immer im Herzen seines Vaters und seines engen Freundes Schadau weiterleben. Diese Interpretation der Situation scheint mir eher poetisch und macht alles noch ein Bisschen tragischer. Doch es scheint mir verständlicher, wenn ich einen Sinn, einen Zweck and das traurige Ereignis hängen kann und somit mir einreden kann, dass Boccard nicht nur einfach zur falschen Zeit am falschen Ort war.
Gasparde… Ich mag Gasparde ganz und gar nicht. Sie ist genau diese Art Frau, die ich nicht ausstehen kann. Sie scheint eifach keinen richtigen Zweck in der Geschichte zu erfüllen. Sie nimmt nicht an den Gesprächen teil, hat anscheinend keine eigene Meinung und ist von den Männern in ihrem Umfeld extrem anhängig. Das ist aber nicht unbedingt ihre Schuld ist. Die Rolle der Frau war damals im Vergleich zu heute ziemlich unbedeutend und Gasparde ist die ziemlich genaue Verkörperung dieser Situationen. Vielleicht ist Gasparde auch einfach ein Opfer des veralteten Frauenbildes, welches nicht mit meinen Meinungen und Vorstellungen übereinstimmt. Das ändert aber nichts daran, dass ich diese Frau nicht aushalten kann und das für einen bestimmten, ganz spezifischen Grund. Sie ist mitschuldig an Boccards Tod. Schadau sagt ihr explizit, dass sie keinen Unsinn mit der Pistole anstellen soll, da diese geladen ist. Doch was macht die Blondine? Sie lässt die Waffe während der Flucht aus Paris fallen, ein Feind kriegt die Pistole in die Hände und erschiesst damit Boccard. Das kann doch nicht ihr Ernst sein. Zuerst ist sie darauf angewiesen, dass ein Schadau ihr sagt was tun und was lassen, ist dazu aber auch nicht fähig auf die Ratschläge besagten Mannes zu hören. Bravo! Tolle Arbeit hast du da geleistet Gasparde. Wenn sie einfach nur unbeholfen oder nur ein Bisschen dumm wäre, würde das mich vielleicht nicht einmal stören. Vielleicht würde ich diese Persönlichkeitsmerkmale lustig oder sogar süss finden. Doch dass jemand wie Boccard, der so sympathisch, aufgestellt, treu und liebenswürdig war unter ihrer Unbeholfenheit leiden muss ist für mich unakzeptabel. Ausserdem ist Gasprade eine ziemlich lächerliche Repräsentation der Frau. Als weiblicher Leser, möchte ich mich mit einer Frau identifizieren können, die ich sympathisch und anziehend finde und meinen Vorstellungen entspricht. Dass die einzige Frau, die irgendwie relevant ist, so nervig und unselbstständig dargestellt wird enttäuscht mich daher ein wenig. Zum Glück haben sich die Standarte verändert und in den Büchern und Filmen von heute gibt es viele starke, selbstständige Frauen, die als Vorbilder gesehen werden können.