Das Amulett: Einfach gestrickt, jedoch sehr fesselnd
Das Amulett ist eine im Jahre 1873 erschienene historische Novelle. Es handelt sich um Conrad Ferdinand Meyers’, geboren 1825, erste Novelle. Die Geschichte wird durch die Augen eines jungen Berners, Hans Schadau, vom Leser mitverfolgt. Schadau wird von seinem Onkel nach Paris geschickt um an Seiten seines Idols, dem Admiral Coligny, unter welchem schon sein Vater diente, in den Krieg gegen die Katholiken zu ziehen. Auf seinem Weg nach Paris trifft Schadau auf einen jungen katholischen Fryburger mit dem Namen Wilhelm Boccard, mit dem er sich trotz ihren Glaubensunterschieden anfreundet. Zur gleichen Zeit trifft Schadau eine hübsche junge Frau namens Gasparde. Nach seiner Ankunft in Paris schafft es Hans, Schreiber des Admirals zu werden. Diesen Beruf wird er jedoch nicht lange behalten. Nachdem er in einem Zweikampf einen Grafen umbringt, eskalieren die Feindseligkeiten zwischen den Katholiken und Hugenotten und der junge Schreiber muss Zeuge des grausamen Spektakels der Bartholomäusnacht werden. Bei seiner Flucht, gemeinsam mit Gasparde, welche er inzwischen zur Frau genommen hat, wird Boccard tödlich verletzt und muss zurückgelassen werden. Meistens sind Bücher, die aus dieser Zeit stammen, meines Erachtens nach, ziemlich trocken und schwierig zu lesen. Doch Das Amulett ist anders. Ich würde sogar sagen es ist das Gegenteil von einem solchen Buch. Natürlich, die Sprache ist etwas gewöhnungsbedürftig, doch das störte mich absolut nicht. Das Amulett ist ein interessantes Buch, das den Leser in seinen angenehmen Lesefluss zieht. Es hat einen verständlichen und klaren Handlungsablauf und Meyer beschreibt die Ereignisse gerade genau genug um allem eine lebendige Aura zu geben. Als Leser ist man in die Figuren und ihre Geschichte investiert. Man kann sich klar vorstellen, wie Schadau und Boccard im Wirtshaus diskutieren und lachen, wie Schadau in seiner Gefängniszelle zusammenbricht, als ihm klar wird, dass seine geliebte Gasprade in Lebensgefahr ist und wie sein Herz zerbricht als sein enger Freund kaltblütig ermordet wird. Die Figuren und die Beziehungen zwischen ihnen sind sehr gut gestaltet und als Leser kann man sich sehr gut mit Schadau oder Boccard identifizieren. Wilhelm ist als sehr fröhlich und heiter dargestellt, was einen guten Kontrast zu Hans, der etwas ruhiger scheint, herstellt. Er ist auch ein sehr treuer Mensch, der seinem Freund immer zur Seite steht. Aus der engen und liebenswürdigen Freundschaft zwischen den zwei Männern lässt sich meiner Meinung nach auch die Moral der Geschichte herausziehen. Es handelt sich dabei um Treue und den Wert der Freundschaft, der Boccard wichtiger war als sein Glaube. Diese berührende Beziehung löst im Leser auch gewisse Emotionen aus und die Novelle hat ebenfalls einige sehr spannende Passagen, die den Empfänger motivieren weiterzulesen. Dazu ist das Buch eher kurz und eignet sich somit auch für Leute, die vor dicken Bändern und langen Geschichten zurückschrecken. Diese Kürze kann aber auch zu einem Kritikpunkt werden, denn man könnte deuten, dass die im Leser ausgelösten Gefühle in der Knappheit des Buches verloren gehen. Zum Beispiel wird Boccard’ Tod sehr knapp und undramatisch beschrieben, was mir aber persönlich gefiel. Es ist ein kurzer Moment, dem keine Dramatik verliehen werden kann. Schadau hat keine Zeit zu trauern. Keine Zeit, sich von seinem gefallenen Freund zu verabschieden. Er muss flüchten und das ist in diesem Moment das Wichtigste. Ein weiterer Kritikpunkt wäre meiner Meinung nach die Beziehung zwischen Hans Schadau und Gasparde. Sie scheint irgendwie ihren Platz in der Geschichte nicht ganz zu finden und sie ist ziemlich zügig aufgebaut. Man verspürt schon, dass zwischen den zwei Charakteren eine festere Beziehung entstehen sollte. Doch als es dann dazu kommt, ist man nicht richtig investiert. Daran ist vielleicht auch die Tatsache schuld, dass man zu diesem Zeitpunkt schon mit der Beziehung zwischen Schadau und Boccard beschäftigt ist nicht unbedingt wissen will was mit Gesparde passiert. Ausserdem ist Gasparde als Charakter nicht wirklich interessant. Während des grössten Teils der Geschichte nimmt sie kaum an der Handlung teil und wenn sie teilnimmt sorgt sie für nicht viel Positives. Das beste Beispiel dafür ist ihre Teilnahme an Wilhelm Boccard’ Tod. Schadau hatte ihr gesagt, sie soll vorsichtig mit der Pistole umgehen, aber was macht sie? Sie lässt sie fallen, die Schusswaffe gelangt in die Hände eines Feindes, der Boccard erschiesst. Das finde ich äusserst unfair. Während der ganzen Geschichte interessiert man sich für den Verlauf seiner Freundschaft mit Schadau und jetzt wird dieser Beziehung ein solch abruptes Ende gegeben. Es fühlt sich schon fast an, als würde man versuchen eine Beziehung mit einer anderen zu ersetzen. Doch trotzdem ist diese Novelle sehr lesenswert und der Leser kann sogar etwas über die Geschichte der Hugenotten und der Katholiken erfahren. Das Buch ist für ein relativ breites Publikum geschaffen, da die Lektüre einfach und schnell verläuft. Die Thematik und die Moral der Geschichte ist klar zu verstehen und bringt den Leser zum Nachdenken. Alles in allem ein sehr empfehlenswertes Buch für Liebhaber solcher Geschichten.